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old Joe
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Hi misymonds, ich hab dieses 'Lebendigsein' aus der Gruppe https://www.openthesaurus.de/synonyme/edit/5239 herausgenommen.
Begründung: Es handelt sich um ein substantiviertes Verb, und alle Verben können im Infinitiv substantivisch gebraucht werden. Ich habe es als Verb in die Gruppe 'leben / am Leben sein' hinzugesetzt.
Aber auch, wenn wir alle Verben noch einmal als Nomen aufführen würden, würde es m.E. nicht in die Gruppe passen. Hier geht es um das Existieren und nicht um das Noch-nicht-tot-Sein, obwohl man das nicht ganz scharf trennen kann. Die Blickrichtung ist jedoch eine andere. Ich bezweifle, dass es so etwas wie ein 'Lebendigsein an sich' überhaupt gibt, anders als '(das) Leben an sich'. Auch so eine an-sich-Ergänzung kann man übrigens mit allen (nominalisierten) Verben kombinieren und erhält dann so etwas wie 'das, was dieses Verb im Grunde bedeutet', das wäre metasprachlich, aber das soll ja nicht gemeint sein.
Wenn es ein schönes, nicht-metasprachliches Beispiel für das 'Lebendigsein an sich' gibt, kann man das wieder aufnehmen,
Von der ursprünglichen Bedeutung her sehe ich 'lebendig' auf einer anderen Schiene als 'lebend', es bedeutet für mich 'quicklebendig, springlebendig, vital, munter, lebhaft'. Es bedeutet allerdings tatsächlich auch 'lebend'. Die Frage ist, ob man immer auch 'lebendig' sagen kann, wenn man 'lebend' im Sinne von 'nicht tot' meint, vermutlich nicht. Beispiel: Mein Großvater ist damals noch lebend aus Stalingrad herausgekommen. Oder: In diesem LKW werden lebende Tiere transportiert. Oder: Der Oberboden enthält eine ungeheure Zahl lebender Mikroorganismen. In diesen Fällen könnte man, theoretisch, immer auch 'lebendig' sagen, aber man würde nicht so formulieren, jedenfalls nicht im Bundesdeutschen.
Beispiel für 'lebendig', so wie ich das als Kind mal kennengelernt hatte: Morgens liegt der Wellensittich mit den Krallen nach oben im Käfig. Die Frage ist, ob der wirklich tot ist. Ich stoße ihn an, er bewegt noch ein wenig die Füße, also ist er noch lebendig, wenn auch nur schwach.
Zum Teil ist es wohl auch so, dass 'lebend' attributiv (direkt beim Bezugsnomen) und lebendig im Sinne von 'nicht tot' prädikativ verwendet wird. Einen Patienten im Dauerkoma würde ich 'lebend' nennen, aber nicht 'lebendig', weil er sich (praktisch) nicht bewegt.
(Auch per Mail)
Diese Nachricht wurde 1 Mal bearbeitet. Letzte Veränderung war am 31.01.2016 17:19
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misymonds
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Sehr geehrter old Joe,
Ihre Art und Weise der Argumentation geht meines Erachtens an dem Kern der Sache vorbei. Ich finde, Sie sollten sich bei der Beurteilung der Situation mehr am tatsächlichen Sprachgebrauch orientieren, wie er neben vielen anderen Stellen zum Beispiel hier gegeben ist:
Aus Ruch, Zimbardo: Lehrbuch der Psychologie S. 291:
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Thorndike (1901) berichtete von einem Affen, der wiederholt auf einen hervorstehenden Draht schlug, offensichtlich um ihn vibrieren zu lassen. Thorndike stellt fest: „Er konnte diesen Ton nicht essen, lieben oder für sein späteres Leben aus ihm lernen (und tat es auch nicht). Aber dieser Ton war für ihn geistige Nahrung, geistige Übung. Affen scheinen unbekannte Plätze zu mögen. Sie erfreuen sich an Gefühlen, genauso wie es ihnen Spaß macht, Bewegungen auszuführen. Das seelische Lebendigsein an sich ist schon ihre Belohnung."
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Zudem führt auch der Duden das Word bzw. den Begriff des „Lebendigseins“ als Bedeutung von „Leben“ und „Existenz“ auf, wie man hier
http://www.duden.de/suchen/dudenonline/Lebendigsein
nachlesen kann. Und wenn etwas die Bedeutung des anderen hat, dann kann es natürlich auch synonym dafür verwendet werden. Das macht ja gerade die Synonymie aus.
Mit freundlichen Grüßen
misymonds
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old Joe
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Hallo misimonds,
Danke für die Antwort. Die Duden-Stelle hatte ich auch gesehen und drüber nachgedacht. Der Duden hat Lebendigsein nicht in sein Wörterverzeichnis aufgenommen, sondern benutzt hier den substantivierten Infinitiv als gelegentliche Wortbildung, um das Wort 'Lebendigkeit' zu erklären, als eine von zwei 'Bedeutungen'. Das wird dort relativ häufig so gemacht. Grundsätzlich würde ich mich dagegen aussprechen, alle Wörter, die man bilden kann, in OT aufzunehmen. Wichtig wären vor allem Wörter, die mehr oder weniger häufig verwendet werden. Man kann alle Adjektive mit einem angehängten Sein in ein substantiviertes Verb verwandeln: das Rotsein, das Italienischsein, das Flexibelsein usw. Es wäre meines Erachtens nicht sinnvoll, die alle hier mit aufzuschreiben.
Was das Buch von Ruch/Zimbardo angeht, würde ich vorab davon ausgehen, dass es bei einem Lehrbuch der Psychologie nicht von vornherein um Alltagssprache handelt. Auch im akademischen Sprachgebrauch werden häufig Wörter 'im Vorbeigehen' erfunden, um einen neuen Gedanken auszudrücken. Nur weniges davon geht in den allgemeinen Sprachgebrauch über und wird ein festes 'Wort'. Es wird kein Zufall sein, dass in dem Satz vor dem, der das Wort 'Lebendigsein' enthält, von 'Bewegung' die Rede ist. Für mich nimmt das Wort 'Lebendigsein' darauf Bezug: 'seelisches Lebendigsein' heißt, dass in der Seele etwas geschieht, etwas in Bewegung ist, Gefühle entstehen und vergehen. Um jetzt zu unserem Hauptthema zurückzukommen, nämlich den Synonymen: Ich denke nicht, dass irgendeines der anderen Nomen der Gruppe in dem Satz von Ruch/Zimbardo das Wort 'Lebendigkeit' in der von Ruch/Zimbardo gemeinten Bedeutung voll ersetzen könnte, am ehesten ginge noch 'Leben', aber 'Leben' und 'Lebendigsein' sind - jedenfalls für mich - zwei Begriffsinhalte, die sich unterscheiden, oder?
Mir fallen übrigens zwei feste Wendungen ein, in denen 'lebendig' eigentlich 'lebend' bedeutet: "tot oder lebendig" und "mehr tot als lebendig". Hier bedeutet 'lebendig' tatsächlich nur 'noch am Leben'. Beide kommen auch mit 'lebend' vor, sind aber wesentlich seltener. In solchen Wendungen, die formelhaft gebraucht werden, ist oft eine Nicht-Standardbedeutung konserviert (klassisches Beispiel 'mit Kind und Kegel', wobei 'Kegel' = nicht-eheliches Kind).
Man könnte schließlich noch fragen: Wenn schon 'Lebendigsein' aufzunehmen wäre, wäre es dann nicht in einer Gruppe '(das) Aktivsein / Muntersein / Agilsein / Lebhaftsein usw.' besser aufgehoben?
Wenn ich nach dem Wort google, dann finde ich sehr vieles, was unter dem Stichwort 'alternative Heilmethoden' unterzubringen wäre. Google will ja auch verkaufen und lässt sich seine Klicks auf kommerzielle Seiten bezahlen, deswegen landet so etwas in seiner Trefferliste vorne. Mal ein Beispiel: "Entfesseltes Ich: Lassen wir los, was uns am Lebendigsein hindert jetzt kaufen." (Werbung für einen Buchtitel von M. Greisinger). Ich interpretiere den Buchtitel so: Lassen Sie los, entrümpeln Sie ihr Leben, fangen Sie an, richtig zu leben, hören Sie auf, nur (dahin) zu leben, leben Sie richtig lebendig, werden Sie endlich lebendig. Sie wissen nicht, wie? Kaufen Sie dieses Buch.
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Wenn meine Argumente Dich (Tschuldigung, wir duzen uns hier normalerweise, "Sehr geehrter Herr oder sehr geehrte Frau misymonds" würde sich auch etwas seltsam ausnehmen)) nicht überzeugen, dann schreib's halt in Gottes Namen wieder dazu, ich kann Dich nicht daran hindern. Das Projekt OT funktioniert mehr oder weniger demokratisch, ein Machtwort kann hier nur der Admin sprechen, aber der hält sich aus allem möglichst heraus. Es ist hier allerdings insofern kein wirklich demokratisches Miteinander-Umgehen, weil so gut wie nicht diskutiert wird. Du bist eine rühmliche Ausnahme.
Du kannst übrigens auch versuchen, mich von Deinem Standpunkt zu überzeugen. Es ist immer drin, dass ich etwas übersehen, nicht verstanden oder dass ich sonstwie Fehler gemacht habe. Insofern ist es jammerschade, dass hier nicht wirklich diskutiert wird, damit ließe sich vieles richtig klären, denn wenn zu unserer Meinungsverschiedenheit ein paar Stellungnahmen abgegeben würden, könnten wir unsere eigene Position besser einschätzen.
Ich bin mir in dieser Diskussion einigermaßen sicher, nicht völlig danebenzuliegen. Ich weiß nicht, was ich noch tun kann, um deutlich zu machen, was ich meine.
Grüße von: old Joe
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misymonds
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@old Joe
Zusammengefasst habe ich Sie bisher so verstanden: Ein Wort, das ich, old Joe, nicht kenne, existiert im relevanten deutschen Sprachschatz nicht. Und daraus folgt zwingend, wenn im Duden oder in einem wissenschaftlichen Lehrbuch (wohlgemerkt ein Lehrbuch! nicht etwa Hegels spekulative Philosophie) - beide besonders bekannt für ihren kreativen und spekulativen Umgang mit der Sprache - dieses Wort zu finden ist, dann kann es sich dort also jeweils nur um eine irrelevante Wortneuschöpfung handeln.
Habe ich Sie so richtig verstanden?
- misymonds
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old Joe
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Nein, haben Sie nicht. Den polemischen Ton in ihren rhetorischen Fragen können Sie sich an dieser Stelle ruhig sparen. Es wäre zweckdienlich, wenn Sie auf meine Argumente eingingen und versuchten, sich inhaltlich mit dem auseinanderzusetzen, was ich in langwieriger Arbeit dazu beigetragen habe. Man kann jedes Wort substantivieren, und man kann aus jedem Adjektiv durch Anhängen von -sein ein neues Substantiv kreieren. Diese alle hier aufzuschreiben, kann nicht sinnvoll sein. Die Stelle in dem Lehrbuch verweist für mich auf Lebendigsein im Sinne von 'Bewegung', Stattfinden von Prozessen. Eine Ersetzung des Wortes 'Lebendigsein' in dem Text von (ursprünglich) Thorndike ergäbe: "Affen ... erfreuen sich an Gefühlen, genauso wie es ihnen Spaß macht, Bewegungen auszuführen. Das seelische Dasein an sich ist schon ihre Belohnung." bzw. "... die seelische Existenz an sich ist schon ihre Belohnung." Beide Ersetzungsproben liefern für mich unverständliche und den Argumentationszusammenhang verleugnende Ergebnisse, da geht es nämlich ziemlich klar um eine Fortführung des Gedankens mit der Bewegung. Ein Satz wie "Die Existenz des Seelischen überhaupt (zu erleben), ist schon ihre Belohnung" könnte Sinn ergeben, wäre auch halbwegs nahe an dem dran, was Thorndike ausdrücken wollte, ist aber stilistisch nicht gut. 'Lebendigsein' ist nun mal kein gutes Synonym für '(das) Dasein', und um diese Frage geht es hier.
Liefern Sie einfach eine Stelle, in der 'Lebendigsein' ohne substantielle Änderung des Inhalts durch 'Dasein' ersetzt werden kann, oder zeigen Sie auf, dass das in dem Beispiel von Thorndike entgegen meiner Interpretation funktioniert. Das wird voraussichtlich nicht möglich sein, denn dann müssten Sie für 'Lebendigsein' eine Belegstelle finden, in der es eben nicht 'lebendig sein' bedeutet, sondern 'überhaupt existieren'. Und genau aus diesem Grund hatte ich in meinem ersten Erklärungsversuch geschrieben, dass es ein 'Lebendigsein an sich' anders als ein 'Existieren an sich' meines Erachtens eigentlich nicht geben kann, es sei denn, man benutzte es metasprachlich.
Ich wiederhole daher meine Frage: Wenn schon 'Lebendigsein' aufzunehmen wäre, wäre es dann nicht in einer Gruppe '(das) Aktivsein / Muntersein / Lebhaftsein usw.' besser aufgehoben?
Ebenfalls wiederholen möchte ich meine Aufforderung an Sie, zu versuchen, mich (mit Argumenten) zu überzeugen, anstatt in polemisierender Weise mir Denkschemata nahezulegen, die allenfalls Ihre Gekränktheit zum Ausdruck bringen, anstatt für die erforderliche inhaltliche Diskussion einen Beitrag zu liefern.
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misymonds
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Unsere bisherige Diskussion zeigt meines Erachtens deutlich, dass wir aneinander vorbei reden. Offenbar fehlt uns die gemeinsame Basis, die für eine gedeihliche Diskussion notwendig wäre. Sie können mit meinen Argumenten nichts anfangen und ich kann mit Ihren Argumenten nichts anfangen. Wir haben schon unterschiedliche Vorstellungen davon, was überhaupt ein relevantes Argument oder ein relevanter Gesichtspunkt ist. Zum Beispiel gehören ontologische oder stilistische Überlegungen IMHO nicht dazu. Das muss dem Nutzer vom OT überlassen bleiben, ob das nun ein Schüler, Wissenschaftler, Philosoph, ein Liebes-Dichtender, ein Science-Fiction-Romanschreiber oder ein Trash-Literat ist. Hier nach eigenem Geschmack und unabhängig von den Vorlieben und Zielsetzungen des Schreibers, des konkreten Textes und der Textsorte eine Vorauswahl treffen zu wollen, halte ich weder für sinnvoll noch für notwendig. Zudem, was das Wort bzw. den Begriff des "Lebendigseins an sich" betrifft, haben Sie halt Ihr Sprachgefühl und ich habe halt mein Sprachgefühl. Und damit ist eigentlich auch schon alles Wesentliche gesagt - jedenfalls meiner Überzeugung nach.
Dabei sollten wir es belassen. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Spaß und gutes Gelingen bei der Mitarbeit beim OT. Machen Sie mit meinen Einträgen, was immer Sie für richtig halten. Es ist ja nicht zwingend notwendig, dass wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Da Sie mit der Diskussionsfreudigkeit beim OT nicht zufrieden sind: Mehr Möglichkeiten zum Gedankenaustausch würden Sie bei einer Mitarbeit bei Wikipedia finden. Die dortigen täglich asphaltierten "Diskussionsmeter" (Eigenbezeichnung Wikipedia) sind berühmt-berüchtigt und werden nicht selten von ihren Produzenten selbst beschmunzelt. Allerdings finden auch diese Diskussionen regelmäßig nicht ihr Ende durch eine Annäherung der Kontrahenten, sondern durch die Ermüdung und Erschöpfung der Diskussionsteilnehmer.
Sie, lieber old Joe, dürften sich bei Wikipedia vermutlich in dem Lager der sogenannten Exklusionisten wiederfinden, ich gehörte dort zu den Inklusionisten. Zwei grundsätzlich diametral entgegengesetzte Standpunkte, die schon für sich alleine Anlass zu ebenso endlosen wie fruchtlosen Diskussionen geben.
Die Logik des Inklusionisten besagt, was stört es, wenn in einer Synonymgruppe ein Begriff auftaucht, der vielleicht nicht jedem Nutzer dort 100%tig zu passen scheint. Ein anderer Nutzer ist vielleicht heilfroh, dass er ihn dort findet und kommt dadurch womöglich noch auf eine ganz andere Formulierungsidee. Es ist ja jedem freigestellt, sich dafür oder dagegen zu entscheiden, also den Begriff für sich zu übernehmen oder auch nicht. Was die Exlusionisten meiner Ansicht nach von diesem Laissez-faire-Ansatz halten, lasse ich hier mal weg, da ich sonst womöglich wieder ins Polemisieren abgleite.
Mit freundlichen Grüßen
- misymonds
Dieser Beitrag wurde 2 Mal bearbeitet. Letzte Veränderung war am 03.02.2016 12:23
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